Symbiosen – Super
Strategien der Natur
Es ist mir ein Herzenswunsch, das Thema
"Gemeinschaft statt Feindschaft" als grundlegende
friedliche Lebensstrategie zu beleuchten, um das
unnatürliche und lebensfeindliche Kriegsgetöse zu
minimieren!
Kooperation statt
Konfrontation
Leben ist immer ein soziales Dasein!
Ein herausragendes Merkmal unseres irdischen Lebens
ist das Miteinander. Gruppenbeziehungen finden wir
bei allen Organismen – manchmal auch nur temporär,
wie bei Hirschen zum Beispiel. Auch Pflanzen
bevorzugen bestimmte, oft artfremde Freunde in ihrer
Nähe. Botaniker kategorisieren unterschiedliche
Vegetationsgesellschaften wie
•
Halbtrockenrasen oder Nasswiesen
• Moore, Sümpfe
• Auwälder,
Wacholderheiden
• Bergwiesen
und viele mehr.
•
Eine Lebensgemeinschaft zwischen mindestens zwei
diversen Spezies nennen wir Symbiose, von Griechisch
syn = "zusammen" und bios = "leben". Für jeden
Partner bedeutet diese Verbundenheit eine
Verbesserung der Überlebenschancen – modern
ausgedrückt: eine win-win-Situation.
Im Gegensatz zu Chemie und Physik, die präzise auf
Mathematik basieren, gilt in der Biologie, der Lehre
vom Lebendigen, die Formel : 1 + 1 > 2 (und
nicht: 1 + 1 = 2). Das Ganze ist mehr als die Summe
seiner Teile :
• eine Zelle
ist mehr als die Summe ihrer Bestandteile
• ein
vielzelliger Organismus ist mehr als die Summe
seiner Zellen / Organe
• unsere
Lebensinformation (Erbgut) ist mehr als die Summe
der Gene, Chromosomen oder Basenpaare
• ein Leben ist
mehr als die Abfolge von Tagen oder Jahren!
Selbstverständlich mussten alle Lebewesen mit
Zunahme der Artenvielfalt auch lernen, sich
abzugrenzen und ihre Heimat, ihren Wuchsort zu
sichern. Viele Tiere zeigen Revierverhalten, indem
sie an den Grenzen patroullieren und fremde
Artgenossen vertreiben.
Ebenso schützen Pflanzen ihren Standort vor
aufdringlichem Fremdgrün. Birken zum Beispiel
entziehen dem Boden rings um ihren Wuchsort viele
Nährstoffe, so dass sich kaum (schattenspendende)
Konkurrenz ansiedeln kann. Walnussbäume "markieren"
ihren Platz mit eigenen Duftkreationen, die auf
andere Pflanzen wuchshemmend wirken.
So unterschiedlich die Abwehrstrategien auch sein
mögen, gemeinsam ist ihnen, dass sie ihre vehemente
Verteidigung NIE über ihre individuellen
territorialen Gemarkungen fortsetzen. Tödliche
Wurfgeschosse über alle Limitierungen hinweg dem
Feind hinterher zu schießen ist eine menschliche
(miese) Verfehlung. Eine missgünstige Marotte, die
wahrscheinlich mit dem Sesshaftwerden aufkam,
seitdem wir persönliches Hab und Gut um uns herum
anhäuften und sichern mussten. Unsere Angst vor
Dieben und Einbrechern nahm zu und ebenso unsere
Verteidigungstechniken. Leider haben Aggression und
Anfeindungen auch unseren Wortschatz infiltriert –
wir reden über "aggressive Brennesseln oder Zecken",
"Kampf gegen Löwenzähne" oder von "Unkräutern als
erbitterten Gegenern". Meist sind wir uns des
kriegerischen und verurteilenden Vokabulars gar
nicht bewusst. Würden wir genauer auf unsere
Mitgeschöpfe schauen, sähen wir weitaus mehr
Kooperation als Konfrontation.
Flora, Fauna, Fungi und Mikroorganismen verteidigen
ausschliesslich, was unbedingt lebensnotwendig ist!
Vertrauen statt
Verdauen
Als eine der ersten Symbiosen des Lebens wird die
Entstehung der Eukaryonten, der "echten" Zellen mit
Zellkern, beschrieben. Statt ihre Kräfte im
gegenseitigen Verhauen zu verschwenden, bildeten
mindestens vier verschiedene, kernlose Prokaryonten
eine Wohngemeinschaft: eine Alge, eine
Cyanobakterie, eine Archäe sowie wahrscheinlich ein
Virus. Ab jetzt profitierten sie alle von den
besonderen Fähigkeiten der Verbündeten. Die Alge
bietet Schutz und Unterkunft, die Grünalge (später:
Chloroplast) kann lustvoll in der Sonne lümmeln und
deren Energie modifizieren, die Archäe (später:
Mitochondrium) unterstützt die Zellaktivität mit
wohldosierten Krafthäppchen und das Virus war
vermutlich ausschlaggebend für die Herausbildung des
Zellkerns. Diese Symbiose erschuf das sogenannte
"höhere Leben" mit Zellkern und gut strukturierten
Zellkompartimenten in einer Membranhülle, eingefasst
von einer festen Zellwand.
Die erste "echte Zelle" und damit Basis allen
höheren Lebens war also eine Pflanzenzelle! Ein
Erfolgsmodell, auf dem alles sichtbare, vielzellige
Leben um uns herum gründet.
Für diese "Endosymbionten-These" wurde die
amerikanische Biologin Lynn Margulis (1938 – 2011)
zunächst verspottet und gemoppt. Später erzielte sie
weltweit Anerkennung und Preise. Sie erarbeitete
darüber hinaus zusammen mit James Lovelock (1919 –
2022) die Gaja-Hypothese, die ebenfalls anfangs als
"esoterisches Geschwafel" abgetan wurde.
Mittlerweile ist wissenschaftlich anerkannt, dass
das irdische Leben – allen voran die Pflanzen -
unseren Gesteinsplaneten mit einer vitalen
Haut überzogen hat und somit unsere Erde in
eine lebendige Einheit verwandelt hat.
Pilz packt Pflanze
Viele essentielle Evolutionssprünge wurden aufgrund
überaus erfolgreicher Symbiosen unterschiedlichster
Arten initialisiert.
Ein weiteres Beispiel sind die Flechten als
erfolgreiche Allianz zwischen Alge und Pilz. Erst in
Union mit dem Pilzpotential waren die Pflanzen vor
etwa 460 Millionen Jahren fähig, vom wässrigen
Element an die Luft zu kriechen um das Landleben zu
etablieren und erblühen zu lassen.
Um ihrer Hauptenergiequelle – der Sonne – näher zu
kommen, lagerten sich viele grüne Einzeller
zusammen. In diesem Konglomerat begannen sich erste
Zellen zu spezialisieren bis größere Zellkomplexe zu
echten pflanzlichen Vielzellern evolvierten.
Arbeitsteilung spart viel Energie, die fortan in
kreative Innovationen investiert werden konnte.
Hand-in-Hand überzogen nun die Gewächse das vormals
nackte Gestein mit einer vitalen Epidermis; mit
Moosen, Farnen, Bärlappen und in der Folge mit
diversen Bäumen und Blütenpflanzen. Die Tiere
folgten ihrer Nahrung wenig später und gemeinsam
erschufen sie die vitale Vielfalt unserer heutigen
Natur.
Gemeinsam statt
einsam
Egal wohin wir unsere Aufmerksamkeit lenken, überall
können wir die fruchtbare Zusammenarbeit von
Partnerschaften erkennen.
Die bekannteste Symbiose zwischen Flora und Fauna
ist wohl die "Bienchen-Blümchen-Biologie", die die
Präsenz der Blütenpflanzen so überaus erfolgreich
fördert.
Wie im Wasser überließen die Organismen auch nach
dem Wechsel an die Luft zunächst ihre agilen
Keimzellen (definiert als die "männlichen") dem sie
umgebenden Element. Dafür mussten sie zahlreiche
Spermien produzieren, von denen aufgrund der Masse
wohl einige wenige die festsitzenden (definiert als
die"weiblichen") Keimzellen derselben Art eher
zufällig befruchten konnten. Ein enormer Aufwand für
den Sinn des Lebens, die Ausbreitung.
Vor etwa 150 Millionen Jahren wurde es farbenfroh im
Blätterwald. Allen voran entwickelten Magnolien die
ersten bunten Blätter. Wahrscheinlich lagerten sie
vermehrt Farbstoffe (Prototypen der heutigen
Flavanoide) in ihr exponiertes Blattgrün ein um ein
schädliches Übermaß an Sonnenstrahlen abzuschirmen.
Diese farbliche Besonderheit hatte Signalwirkung auf
die herumkurvenden Insekten, die neugierig an den
Farbtupfern verweilten und entspannt ein
Scheißerchen hinterließen. Somit bekam die
unterirdische Wurzelfraktion von den Flugboten
verstoffwechselte Nahrungshäppchen direkt geliefert.
Ein positives Feedback für die Magnolien in
zweifacher Hinsicht: Die farbigen Zonen schützen vor
Verbrennung und ziehen Proviantlieferanten an bei
geringer Energiebelastung.
Aus dieser relativ unaufwendigen Koalition hat sich
dann eine fantastische innovative Supersymbiose
zwischen dem Reich der Pflanzen und dem der Tiere
heraus kristallisiert, die wir heute noch bestaunen
– und der den Energieaufwand für die Herstellung
Myriaden von Spermata immens eindämmte.
Wurzelwunder
Etwa 60 Millionen Jahre, nachdem sie kontinental
geworden waren, hatten die Gewächse gelernt, sich in
der - von ihnen selber erzeugten - Bodenschicht zu
verankern. Seitdem verfügen sie über einen Körper,
der gleichzeitig in der Erde und an der Luft
existieren kann – manchmal sogar zusätzlich im
Wasser, wie Mangroven. Eine physiologische
Meisterleistung!
Ihre beiden sehr verschiedenen Wesenshälften mit
jeweils unterschiedlichen Sinnesrezeptoren,
Anforderungen an Atmung und Wasserhaushalt sowie die
entgegengesetzten Wachstumsrichtungen von Spross und
Wurzel müssen von ihnen koordiniert und
physiologisch angepasst werden.
Selbstverständlich setzten die Pflanzen wiederum auf
das Prinzip der Symbiose und erkundeten zusammen mit
Pilzfreunden die Finsternis.
Die Hyphen der Schwammerl sind sehr viel feiner als
Wurzelenden und können somit in kleinste
Zwischenräume der Erdkrume dringen, um an Wasser,
Stickstoff, Phosphate und andere Mineralstoffe zu
gelangen. Diese tauschen sie mit den Wurzeln gegen
Zuckerlis, die Photosyntheseprodukte der
oberirdischen Pflanzenorgane. Seit mindesten 390
Millionen Jahren hat sich diese besondere
Pilz-Pflanzen-Partnerschaft erfolgreich als
Mykorrhiza etabliert, an der auch noch viele anderen
Mikroorganismen beteiligt sind. Manche Wurzeln haben
sich mittlerweile auf bestimmte Pilzvertraute
spezialisiert, andere koalieren mit mehreren.
Logischerweise kommunizieren die Symbionten auch
miteinander: Pflanzen signalisieren den Partnern
ihre Wünsche, Pilze informieren über ihr Angebot –
und umgekehrt. Die im flüssigen Milieu gelösten
Substanzen, die ausgetauscht werden, enthalten auch
stets wichtige kommunikative Botschaften wie:
• Angaben über
Mangel oder Überfluss der Stoffe
• Informationen
zu Lokalitäten von Wasserquellen und Mineralien
• Hinweise über
die Richtung des Wurzelwachstums und vieles
mehr.
Je tiefer ich eintauche in das Thema Symbiosen, umso
faszinierter bin ich von dieser allübergreifenden
Lebensstrategie.
Sogar unser Nahrungskreislauf beruht – ebenso wie
der Atmungskreislauf - auf der ausgeklügelten
Kooperation zwischen Flora, Fauna, Fungi und
Mikroorganismen, zu denen nach neusten
Forschungsergebnissen auch die Viren unsagbar viel
beitragen.
Erstaunlicherweise stellt sich mittlerweile heraus,
dass das, was Du und ich bisher als unser
individuelles Ego wahrgenommen haben, eine
holobiontische Existenz mit zahlreichen
kooperierenden Gemeinschaften und Gesellschaften
darstellt. Auch unser Mikrobiom als zweites "Ich"
hat Gesellschaft bekommen: unser Virom als drittes
"Ich". Und gemeinsam ergeben sie einen vitalen
Menschen.
Viel Vergnügen und überraschende Erkenntnisse
wünscht
Felicia
Weitere erstaunliche PflanzenGeheimnisse könnt Ihr
in meinem Buch "PflanzenGeflüster", AT Verlag 2020,
erfahren; sowie in meinen Kursen und Workshops:
Felicia@KräuterSchule.eu
Dieser Artikel erschien zuerst im
"WildpflanzenMagazin" , www.essbare-wildpflanzen.de
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