Redaktion

Leser schreiben für  Leser

Jutta und Christoph Seesing
betreiben den Joseph's Hof in Frankenhain,
ein kleiner Bio Milch und Ackerbau - Betrieb mit Käserei.

Christoph unterstützt den BUZZ schon länger
mit Informationen zur aktuellen Lage .

Er beleuchtet im folgenden Artikel
 die Situation der Landwirte.




Teil 1
Januar / Februar 2024


"Und da sich die neuen Tage aus dem Schutt der alten bauen, kann ein ungetrübtes Auge rückwärts blickend vorwärts schauen."  (Weber, Dreizehn Linden)


Es sind Geschichten, die unser Bild der Welt prägen.

Ich erzähle Euch mal eine Geschichte:
Wohl die meisten von uns haben, wenn sie an Argentinisches Rindfleisch denken, ein Bild vor Augen, von weiten Pampas, Gouchos auf Pferden …




Szenenwechsel:

Auch in Österreich gab es im 19. Jahrhundert eine Bauernbefreiung.


Die Bauern wurden aus der Leibeigenschaft entlassen, die Verfügung des Adels über die Individualrechte der ländlichen Bevölkerung wurden aufgehoben. Um weiterarbeiten zu können mussten die Bauern aber ihren Hof freikaufen. In der Folge waren die Bauern hoch verschuldet.

Die Bauern produzierten für die lokalen Märkte und da der Mensch nicht vom Fleisch alleine lebt wurde überall in Oesterreich ausgiebig Ackerbau betrieben. Teilweise wurde das Vieh auch im Sommer im Stall gehalten um ausreichend Dung für die Felder zu produzieren. An die 90% der Menschen lebten von der, durch die geografischen Bedingungen recht mühseligen Landwirtschaft.

Und dann kam ein Freihandelsabkommen mit Preussen, die Handelsbarrieren für preussischen Weizen wurden abgeschafft, die Preise, die die österreischichen Bauern für ihr Getreide erzielen konnten fielen, sie konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen und verloren ihre Höfe wieder an den Adel und mittlerweilen aufstrebenden Geldadel in Form von Industriellen.




Wer kennt nicht die ganzen Wildschützgeschichten in alpenländischen Heimatfilmen und Erzählungen. Die haben ihren Ursprung in genau jenen Bauern, die alles verloren hatten und sich durch Wilderei am Leben zu halten versuchten. Sehr zum Ärger der Adeligen, die es als ihr gutes Recht ansahen zum Vergnügen zu jagen und sich um ihr Wild betrogen fühlten.

Von diesen ehemaligen Bauern, die ihre Erwerbsgrundlage verloren hatten, profitierte wiederum die aufstrebende Industrie in Form billiger Arbeitskräfte. Die Kirchenbücher zum Beispiel von Maria Lankowitz einer damaligen Bergbauregion in der Nähe von Graz sprechen ein beredtes Zeugnis vom Elend der Bergarbeiter (uneheliche Kinder, Kindersterblichkeit …)

Szenenwechsel:

Erklärtes Ziel Deutschlands ist es Handelsbeschränkungen
 für landwirtschaftliche Produkte fallen zu lassen


Erklärtes Ziel insbesondere Deutschlands, als ehemaliger Exportweltmeister von Industrieprodukten, ist es Märkte für ihre Industrieprodukte zu öffnen und im Gegenzug Handelsbeschränkungen für landwirtschaftliche Produkte fallen zu lassen, was wiederum zu einem Preisverfall landwirtschaftlicher Produkte in Deutschland führt.

Um konkurrenzfähig zu bleiben mussten die Produktivität der Landwirtschaft gesteigert werden. Auf dem Weg zu einer industriellen Landwirtschaft mussten die Betriebe wachsen, Arbeitskräfte wurden durch Diesel ersetzt, die Industrie freute sich über die freiwerdenden Arbeitskräfte aus der Landwirtschaft.

Nun braucht es in einem mehr oder weniger demokratischen Land die Zustimmung der Wähler. In Deutschland lebten noch in den 50er Jahren jeder 2. in oder von der Landwirtschaft (in Eschwege zB wurden in 3 Schichten Mähdrescher gebaut).




Subventionen wurden als das geeignete Mittel angesehen, diesen Umbau sozialverträglich zu gestalten und gleichzeitig Kapital zu generieren, für die durch Verdrängung immer schneller wachsenden Betriebe.

Man muss gar nicht weit zurückdenken, um sich den Strukturwandel in unserer Gegend wieder vor Augen zu führen. Als wir 1987 hier her kamen, hatte noch jede 2. Familie hier im Dorf Vieh und Ackerbau im Nebenerwerb. Die Kuhställe waren bereits grösstenteils leer. Doch noch 20 Jahre zuvor wurde mit nur 2 Kühen richtig Geld verdient und die Leute haben sich fabrikneue Trecker gekauft. In der Erntezeit, die sich über Monate hinzog, war eine Betriebsamkeit im Dorf und auf dem Feld, - man musste geradezu aufpassen, nicht vom Trecker überfahren zu werden …

Szenenwechsel:

Die Pampa musste den Investoren
 zum Anbau von Gensoja weichen

Zurück nach Argentinien. Das Bild oben hat natürlich gar nichts mit der Realität zu tuen. Vereinzelt mag man auch heute noch solche Bilder fotografieren können doch ihr Realitätsbezug ist lediglich historisierend.

Die Pampa musste den Investoren zum Anbau von Gensoja weichen später dann auch die Wälder.


© screenshot unbekannter Herkunft

Die Rinder werden in riesigen „Freiluftställen“ gehalten, dagegen mutet hiesige Massentierhaltung geradezu wie eine Hotelunterbringung an. Die Tiere sind auf dichtestem Raum ungeschützt der Witterung ausgesetzt, die Exkremente versickern im blanken Boden und verseuchen das Grundwasser. Dem Mangel an Hygiene wird mit Einsatz von Medikamenten begegnet.

Aus gutem Grund wollen die meisten Menschen in Deutschland eine andere Landwirtschaft. Doch selbst die Massentierhaltung in Deutschland ist aufgrund der Akzeptanz und daraus folgenden Auflagen nicht mit argentinischer Produktion konkurrenzfähig. (btw.: der derzeitige Dieselpreis in Argentinien beträgt 81 Eurocent)

Die Biolandbewegung war ursprünglich eine soziale Bewegung. Die Bauern sollten ihren Boden als ihr Kapital begreifen, schützen, pflegen und so die Abhängigkeit von der Agrarindustrie gemindert werden …

Fragen die ich zunächst bewusst unbeantwortet lasse:
Wer profitiert von den Subventionen und  den damit zunächst verbundenen niedrigen Preisen für landwirtschaftliche Produkte?
Wer profitiert von niedrigen Lebensmittelpreisen?
Welche Landwirtschaft wollen die Menschen und welche bekommen sie?
Zwar ist für diese Entwicklung hauptsächlich die CDU verantwortlich, einfach weil sie die meiste Zeit regiert hat, doch wie kann es sein, dass unser grüner Landwirtschaftsminister gerade erst der Zulassungsverlängerung von Glyphosat zugestimmt hat?
Will die Mehrheit der Menschen  eine andere Landwirtschaft?
Wenn ja, wie kann es sein, dass wir in einem demokratischen Land nicht die Landwirtschaftsentwicklung wählen können, die wir uns wünschen?

Wissen heißt die Welt verstehen. Wissen lehrt, verrauschter Zeiten und der Stunde, die da flattert, wunderliche Zeichen deuten. (Weber, Dreizehn Linden)

Christoph

Material zu obigem Artikel: Modalitäten Dorferneuerung
Artikel in Junge Welt: Fakebauern kassieren




Wesen tliches!
7.2.2024






Link:
Fernsehbericht über:
Tierfreie Käseproduktion









Teil 2
Februar 2024


Brennholz - wir nehmen das was an - äh umfällt ;-)


© christoph seesing 2024


© christoph seesing 2024


Im Parlament der Dinge
Die Kuh

© lizensiert von Adobe 188943535

Wir haben die Kühe ins Parlament der Dinge geladen. Gegen ihren Ruf als Klimakiller wehren sie sich vehement. Zum Spielball der fossilen Industrie seien sie geworden. Dabei könnten sie Klimaschützer sein.


Die Kühe haben ihre Verbündeten mitgebracht. Bauern und Bäuerinnen, die regenerative Landwirtschaft betreiben, und Forschende, die die koevolutionäre Geschichte des Grünlands kennen. Von den vielfältigen Aufgaben der Kühe als wandernde Weidetiere wird hier die Rede sein, als Bodenverbesserer, Kohlenstoffsenkenhelferinnen, Biodiversitätsagenten, Landschaftsgärtnerinnen und vieles mehr.
„Wie höre ich im Stimmengewirr der Interessen ausgerechnet die Stimme der Kuh?“ wurde der inzwischen verstorbene französische Philosoph Bruno Latour einmal gefragt. Eins seiner Bücher heißt Das Parlament der Dinge. Seine Antwort damals: „Indem sie Thema ist. Jetzt stehen die Kühe, vertreten durch vielfältige Interessen, mitten in der Arena. Die objektive Kuh gibt es nicht. Wir müssen ein Verfahren finden, die Kühe zu Wort kommen zu lassen.“
Die Kuh 
Im Parlament der Dinge 
Von Barbara Eisenmann 

Regie: die Autorin 
Es sprachen: Helene Grass, Henning Nöhren, Adam Nümm, Astrid Meyerfeldt und Bernd Moss
Ton: Hermann Leppich
Redaktion: Wolfgang Schiller
 Produktion: Deutschlandfunk/WDR 2024

Link zum Hörspiel: https://www.hoerspielundfeature.de/die-kuh-100.html


Wahnsinn ist
immer das Gleiche machen und ein andere Ergebnisse zu erwarten

Der Jabo-Schrank
in den Geschichten der Dinge lebt Geschehenes fort …
Eigentlich kein besonderer Schrank, doch begleited er mich bereits mein ganzes Leben und seit wir uns kennen auch Jutta. Mein Urgrossvater verkaufte ihn dereinst in die Nachbarschaft,  mit der Hochzeit meines Grossvaters kam er dann zurück und stand von nun an im Wohnzimmer der jungen Familie im beschaulichen Lindendorf am Niederrhein. Gegen Ende des 2. Weltkrieges machten alliierte Jagdbomber häufig Jagd auf Zivilisten, Bauern auf dem Feld, Radfahrer, Fuhrwerken oder wer halt immer nicht rechtzeitig Deckung gefunden hatte. Eines der Geschosse durchschlug das Fenster, die Standuhr und letztlich  eben diesen Schrank. Unlängst erst erzählte mein Vater (zum Kriegsende gerade noch keine 11 Jahre alt) er habe immer noch das Gräusch in den Ohren, wie die Geschosshülsen der Bordmaschinengewehre aufs Pflaster klackern …


© seesing privat

„17° Krieg! C'est la guerre! Nur hereinspaziert, meine Herrschaften! Nur hereinspaziert! ... Die Leute rennen durcheinander, verwirrt, erschreckt, entsetzt. Wo ist ein Halt? Ein Punkt? Ein Zweck? Ein Sinn? ... Sie wissen eben nicht, die lieben Leute, wozu sie eigentlich da sind, was war und werden soll und selbst die unterstellte Überlegung, daß sie dem Privattreiben einzelner höchster Gauner dienen, vermöchte daran nichts zu ändern; auch nicht das Wissen darum, daß die Regisseure ihres Schlachtfeldtodes dieses Schauspiel lediglich inszenieren, weil auch sie sich langweilen. Die Mehrzahl wird nicht deshalb Schießer, weil sie die Aufmachung nicht durchschaut, sondern weil sie sie als (hoho!) – Sensation benützt ... Zudem ist das Arrangement gut. Die Journale schreien hurrah und telephonieren mit den Ministerien wegen der Motivierungs-Phraseologie. Musik wankt herauf und ersäuft jede Änderung. Großartige Reden werden auskalkuliert, historisch wertvoll gefeilt und in die bereits besoffene Menge geträufelt, Hochämter inseriert und der liebe Gott wird persönlich bemüht, das Schlachten zu protegieren. Und alsbald, nach dieser vorzüglich angelegten Reklame, platzen die ersten Granaten. Der Bursche in seiner Loge hat sein Spektakel, die Bevölkerung einen blutigen Zeitvertreib und der stramme Tod, der einzig wirklich Erfolgreiche, knickst vor der Langeweile, die nach dem ersten Akt Zuschauer und Akteure unweigerlich wieder befällt ... Halt: sie sind jetzt dabei, (o, o, o) – Ri-Ra-Republikaner zu werden, um für Industrie- und andere Rastas zu schuften. Wenn sie aber all das auch durchschauten und endlich die völlige persönliche Verfügung über sich erhielten, stünden sie letzthin vor der Wahl zwischen der erschrecklichsten Langeweile oder ... (Ich konzipiere die gelbe Garde der letzten Wut ...)“
(Walter Serner, Letzte Lockerung manifest dada)

Auch wenn diese Gegend hier im 2. Weltkrieg kaum mehr umkämpft war kann man doch noch Spuren finden, die uns von dem Wahnsinn eines Krieges erzählen lassen. Denn das tut dringend Not um diesen irren Kriegstreibern das Zuhöhren zu verweigern.


© seesing privat

Maschinengewehrhülse aus einem Feld zwischen Frankershausen und Orferode (na, wer kennt die Geschichte dazu?)

„425.  Es gibt eine Art von Vogelfreiheit, die du erst erlebt haben mußt, um zu wissen, was dir droht, wenn du nicht rechtzeitig aufhörst, den Staat für moralisch zu halten.“
(Walter Serner, Letzte Lockerung  Ein Handbrevier für Hochstapler
und solche die es werden wollen)

Ich kann mir nichts darauf einbilden, aber freuen tut's mich schon, dass mein Grossvater eine Möglichkeit gefunden hatte, den Kriegsdienst zu  „verweigern“.  Aber das ist eine andere Geschichte.
Christoph





Teil 3
März / April 2024



Mein Opa hat immer gesagt:
„Was man sich nicht leisten kann, muss man selber machen“ und wir hatten das Glück nie viel Geld zu haben ...

Damit wir von einem so kleinen Betrieb leben können und dabei auch noch 4 Kinder grossziehen konnten, braucht es eine hohe Produktionstiefe.
Auf der einen Seite drückt sich das in der Weiterverarbeitung der Milch zu Käse und der Direktvermarktung aus, am anderen Ende in der Wartung, Reparatur und auch Bau der Maschinen:


Getriebereparatur am Perfekt 300


alle Fotos © seesing 2024




Doppelwippkreissäge selbst gebaut
(Sekt soll ja dem Kreislauf förderlich sein)








Mobile Melkmaschine






Reifenmontiergerät

Reifenmontiergerät Eigenbau, homemade tire changer from Christoph on Vimeo.


Dieses Frühjahr hatten wir uns die Überholung des Zylinderkopfes beim Brillant 600 vorgenommen:

Hanomag Brillant 600 mit Al28-Motor: Zylinderkopfüberholung from Christoph on Vimeo.


Christoph








Teil 4
April/Mai 2024

Frühling

nach 4 Monaten Winterweide, auf zu einem kleinen Sonntagsspaziergang:


"Echt jetzt?"


"Und Du auch"


Die Weidesaison hat begonnen:


Auch unsere kleine Widderherde
haben wir wieder freigelassen...


Die hydraulischen Widder
sind nicht nur eine faszinierende uralte Erfindung,
versorgen den Reiher



und den Faun


mit Wasser,
sondern füllen auch den Hochbehälter mit Tränkewasser für die Tiere





Zu Widder siehe auch:

Klick zu einer Arbeit über Widder
aus Witzenhausen


https://www.uni-kassel.de/fb11agrar/fachgebiete

Christoph am 8.4.2024